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Rede Gerhard Jenders

Diese Rede hat Gerhard Jenders am 15. Oktober 2017 aus Anlass der Demo gegen den AfD-Parteitag in Wiehl gehalten:

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich hoffe, ihr könnt alle das Banner erkennen, das hinter mir auf der Bühne hängt. Es stammt nämlich von uns, vom Verein „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun“. Wir haben uns eine große Weltkarte drucken lassen. Und dort haben wir bei vielen Gelegenheiten in den letzten Jahren die Leute eintragen lassen, wo sie selbst oder woher ihre Vorfahren herkommen. Die Linien, die auf einem Punkt – dem Oberbergischen Kreis – zusammen laufen, zeigen an, wo Oberbergerinnen und Oberberger ihre Wurzeln haben. Wir Oberberger haben Wurzeln in aller Welt – das ist eine Stärke!

Und da kommt so eine Partei und will uns weismachen, wir müssten uns vor Überfremdung fürchten, wir müssten uns auf „nationale Werte“ besinnen, wir müssten die Grenzen dichtmachen. Wenn das in der Vergangenheit die Praxis gewesen wäre, dann wären all diese Menschen, die dort hinten eine Linie eingezeichnet haben, heute keine Oberberger. Vielleicht gäbe es sie gar nicht. Ich zum Beispiel habe eine Linie aus den französichen Alpen ins Oberbergsiche gezogen, weil im 17. Jahrhundert ein Teil meiner Vorfahren von dort nach Deutschland geflohen ist. Die hatten damals die falsche Religionszugehörigkeit – sie wurden in unserem Land aufgenommen. Ohne diese Möglichkeit hätten sie damals nicht überlebt und ich wäre heute nicht hier.

Doch kommen wir zur Sache, zu der Partei, die bei uns jetzt auch im Bundestag gegen Mitmenschen, die vor Verfolgung fliehen, hetzt, zur AfD. Sie hat nun also ihren Parteitag hier in Wiehl abgesagt. Das, was sie offiziell als Begründung angeben – der Gegenprotest von so vielen verschiedenen Gruppen – ist für uns alle ein großer Erfolg. Wobei die Behauptung der AfD, es drohe Gewalt, natürlich eine unverschämte Unterstellung ist. Der Polizei gebührt Dank dafür, dass sie die absurden Behauptungen des AfD-Sprechers Renner sofort richtig gestellt hat.

Die mit der Absage von der AfD verbreiteten Behauptungen machen deutlich, was von dieser Partei zu erwarten ist: Sie fordert die „Einhaltung demokratischer Spielregeln“ für sich ein, doch für politische Gegner hat sie nur Diffamierungen, sie unterstellt denjenigen, die andere Ziele vertreten, gesetzwidriges Verhalten. Es graust einem bei der Vorstellung, wie die politische Landschaft aussähe, wenn diese Partei in irgendeiner Form in einer Regierung mitwirken würde!

Ach, das sind doch nur 12,6%, die sind so weit von der Mehrheit entfernt, da müssen wir uns keine Sorgen machen! Wirklich nicht? Die größte Gefahr geht tatsächlich nicht von den armseligen Gestalten aus, die für die AfD in den Parlamenten sitzen. Gefährlich wird es da, wo diese Partei mit ihren Forderungen, mit ihrer Hetze den politischen Diskurs nach Rechts verschiebt. Wo in Parlamenten, wo auf Plakaten, wo in öffentlichen Reden der Nationalismus gepredigt wird, wo Hass gegen Muslime gesät wird, wo Minderheiten diffamiert werden. Gefährlich wird es da, wo Parteien davon reden, man müsse die „Sorgen und Ängste der AfD-Wähler ernst nehmen“ Ja, das muss man, denn sie sind ein ernstes Problem. Aber ernst nehmen kann

nicht bedeuten, dass man – wie die CSU es tut – die AfD-Forderungen übernimmt in der Hoffnung, damit deren Wähler zu gewinnen. Die CSU war schon vor dern Bundestagswahl ideologisch am dichtesten an der AfD dran; das Ergebnis ist, dass gerade in Bayern die Union ganz besonders stark an die AfD verloren hat. Wenn die CSU die AfD-Forderungen und Parolen salonfähig macht, dann sinkt die Hemmschwelle für rassistische Positionen – und die Rassisten wählen nicht die CSU-Kopie, sondern das Original, die AfD.

Deshalb ist wichtig: Auch wenn die AfD durch demokratische Wahlen in die Parlamente gekommen ist, ist sie dadurch nicht eine demokratische Partei geworden, ihre Positionen, ihr Rassismus, ihre Hetze sind dadurch nicht legitimiert. Es bleibt unser Recht und unsere Pflicht, für Vielfalt und Demokratie, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und damit gegen die AfD einzutreten.

Denn: Die AfD ist nicht irgendeine Partei, sie ist „ein Monster“, eine „NPD- light“. Diese harten Worte sind nicht von mir, sie stammen von Hans-Olaf- Henkel, einem Mitbegründer der AfD und ehemaligem Vorstandsmitglied. Henkel hat 2015 die AfD so bezeichnet, nachdem er zurückgetreten war und Markus Pretzell den Landesvorsitz übernommen hatte. Der Pretzell, der als ultima ratio auch auf Flüchtlinge schießen lassen wollte, der aus der national- konservativen Fraktion im Europaparlament rausgeflogen ist und dann zur rechtsextremen Fraktion ENF gegangen ist. Und dieser Herr Pretzell hat die AfD jetzt verlassen, weil sie sich für ihn zu weit nach Rechts entwickelt hat.

Wenn ich Henkels Logik folge (ich – der Logik des Herrn Henkel folgen – wer mich kennt, weiß dass das fast weh tut), muss ich jetzt die AfD als „NPD- heavy“ bezeichnen.

Dass die AfD ins Oberbergische wollte, ist kein Zufall. Hier hat sie – und insbesondere der rechte Flügel – ein besonders erfolgreiches Projekt, von dem die Öffentlichkeit außer bei den Wahlergebnissen nicht viel mitbekommt: Die AfD-Gruppe „Russlanddeutsche für AfD“ spricht speziell russisch-stämmige Aussiedler an. Mit dem Erfolg, dass die Partei im Stimmbezirk Waldbröl-Eichen über 50% der Stimmen bekam – darauf sind sie sehr stolz. Auch in anderen Stimmbezirken mit hohem Aussiedler-Anteil (z.B. auf dem Bernberg in Gummersbach) hat die AfD überdurchschnittlich hohe Anteile erzielt. Damit so etwas gelingt, gibt es mehrere Portale in russischer Sprache, in denen ultrakonservative Wertvorstellungen gepredigt werden, in denen aber auch Gerüchte und Unterstellungen verbreitet werden. Statt für die Integration der Menschen, die zum Teil vor Jahrzehnten aus Russland hierher gekommen sind, zu arbeiten, wird hier eifrig an einer Parallelgesellschaft gebaut. Je länger und intensiver diese AfD-Gruppe in den entsprechenden Wohngebieten aktiv ist, desto schwieriger wird es für die Zivilgesellschaft in den Kommunen, an die Menschen dort heranzukommen.

Lasst mich noch einen Blick auf das AfD-Personal hier im Kreis werfen:

In den letzten Wochen lächelte uns von vielen Laternenmasten das Portrait des Herrn Zühlke entgegen. Dieser Bundestagskandidat der AfD gehört dem rechtesten Flügel an. Es war interessant, sich sein Facebook-Profil

anzuschauen: Da gab es im Frühling noch Gruppen wie „Solidarität mit Höcke“ und Gruppen, die parteiintern gegen Petry und Pretzell hetzten, weil die diesen Gruppen nicht nationalistisch genug waren. In der Vorbereitung der Bundestagswahl hatte Zühlke sein Profil weichgespült und einige der Gruppen entfernt. Geblieben war aber die Waffenlobby, eine Gruppe, die selbst nach dem Massaker in Las Vegas noch tönte: „Einen schlechten Menschen mit einem Gewehr können nur gute Menschen mit einem Gewehr stoppen.“ und die Reichsbürger-Verschwörungstheorie-Gruppe „Preußischer Anzeiger“. Nach der Wahl sind neue „Gefällt-mir“-Angaben hinzugekommen. Ganz vorne stehen die rechtsradikalen „Identitären“, eine Gruppe, die auch in Wiehl in letzter Zeit mit Aufklebern Hetzte gegen Flüchtlinge betreibt und die sogar ein Schiff gechartert hat, um im Mittelmeer Flüchtlinge zurück – und damit in den Tod – zu treiben. Zühlke ist dritter Vorstandssprecher der AfD Oberberg. Sehen wir uns einmal die anderen beiden an: Zweiter Sprecher ist Bernd Rummler. Der hat beim letzten Rechtsruck in der AfD – das war beim Bundesparteitag im April – noch betont, in NRW betreibe man „Realpolitik“. Er hatte sogar einen Ausschluss von Höcke gefordert. Und der erste Sprecher, der Vorsitzende Rainer Fabeck? Der war Lehrer am Wiehler Gymnasium, Musiker in einer Jazzband, ein angesehener Mitbürger. Dann ist er zur AfD gegangen. Bei einer Kandidatenvorstellung auf der Landeswahlversammlung im Januar erzählt er, dass er davon ausgegangen sei, mit ihm als Vorsitzendem werde die AfD angesehener, seriöser. Und er beklagt, dass statt dessen seine Bekannten sich von ihm abgewandt hätten. Ja, Herr Fabeck, was erwarten Sie denn? Wenn ich erfahre, dass einer meiner Bekannten alten Damen die Handtasche raubt, wird dadurch nicht der Handtaschenraub seriös – ich sage meinem Bekannten, dass er ein Krimineller ist und zeige ihn an!

Aber wo steht der Herr Fabeck politisch? Eine seiner ersten Handlungen als Vorsitzender war, dass er einen „Offenen Brief“ eines Ex-Generalmajors (Schultze-Rohnhof) an die Bundeskanzlerin verbreitet hat. Darin wird offen rassistisch gegen Flüchtlinge gehetzt und die Gefahr einer „Auflösung der deutschen Nation in einer europäisch-asiatisch-afrikanischen Mischbevölkerung“ heraufbeschworen. Anschläge auf Flüchtlings-Unterkünfte sind in dem Brief „nur die unschöne Spitze eines unter Wasser großen Eisbergs seriöser Sorgen“.

So etwas findet der AfD-Kreisvorsitzende also verbreitenswert.

Und wo stehen diese Leute jetzt, nach dem – ich weiß nicht wie vielten – Rechtsruck der AfD? Keiner von denen ist ausgetreten, sie machen alles mit. Entweder sie waren vorher schon so weit rechtsaußen oder sie haben sich im Laufe der Jahre so weit radikalisiert, dass sie jetzt zu Gefährdern werden: Gefährdern einer freiheitlichen Gesellschaft, Gefährdern der Gleichbehandlung von Frau und Mann, Gefährdern für Menschen, die zu uns geflüchtet sind, Gefährdern des Friedens durch ihren Ruf nach einem starken Deutschland, Gefährdern unserer Umwelt durch ihre Leugnung des Klimawandels.

Es ist gut und wichtig, dass wir gegen eine solche Politik aufstehen, dass wir Flagge zeigen. Wenn wir diesmal dazu beitragen konnten, dass sie sich hier nicht versammelt haben, können wir stolz sein. Doch wir dürfen uns nicht

darauf ausruhen, wir müssen uns darauf einstellen, weiter konsequent und kontinuierlich gegen Rechts einzutreten. Es reicht nicht, dass die AfD raus aus Wiehl ist – sie muss raus aus den Köpfen!

Lasst mich schließen mit einem Zitat des AfD-Sprechers Martin Renner aus der Absage des Wiehler Landesparteitags:

„In gesteigertem Maße rufen Akteure der selbsternannten Zivilgesellschaft – Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und auch Amtsträger (Bürgermeister) zu Protesten gegen uns auf…“ Lasst uns damit weiter machen! Stehen wir weiter zusammen gegen Re